Interview mit Eva Bulling-Schröter zum sozial-ökologischen Umbau

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Mit einer Konferenz zum sozial-ökologischen Umbau starten DIE LINKE. im Bundestag und die Rosa-Luxemburg-Stiftung in das Jahr 2017.

In der Zeche Zollverein in Essen wollen wir mit ExpertInnen, AktivistInnen und PolitikerInnen aus Umwelt- und Klimabewegung, aus Wissenschaft und Gewerkschaften diskutieren, wie wir die gesellschaftliche Transformation vorantreiben können.

Im Vorfeld der Konferenz haben wir einigen Teilnehmenden fünf Fragen gestellt und um möglichst prägnante Antworten gebeten - heute:

Eva Bulling-Schröter,  Energie- und Klimapolitikerin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag,

 1. Warum ist die ökologische auch immer eine soziale bzw. Gerechtigkeits-Frage?

Global betrachtet liegt bei der Klimaerwärmung die historische Verantwortung bei den Industrieländern, die südlichen Länder sind aber stärker zum Beispiel durch Überflutungen oder Dürren betroffen. Sparsamkeit mit knappen Ressourcen und die Fossilen im Boden lassen, sind daher unsere Pflicht. Blicke ich auf Deutschland, ist es notwendig, dass wir die Kosten von Energiewende und Strukturwandel gerecht aufteilen und nicht Einige auf Kosten der Mehrheit und der Natur leben oder gar sich krass bereichern. Dabei müssen - wie beim Atom- und Kohleausstieg - die Verursacher herangezogen und die Beschäftigten sowie Ärmeren aufgefangen werden. Sonst ist das Projekt der Energiewende insgesamt gefährdet, weil die Akzeptanz schwindet.

2. Welche Strukturen müssen sich verändern, dass ökologische Lebensweisen für alle möglich werden?

Falsche Nahrungsmittelproduktion, fossil-atomare Energiekonzernmacht oder abgeholzte Wälder für Palmölplantagen, um sinnloses Verkehrswachstum zu ermöglichen, sind nur einige drastische Beispiele für das Versagen unseres globalen kapitalistischen Wirtschaftssystems. Wachstums- und Konsumzwang verursachen grundsätzliche Probleme.

Wir können aber auch handeln, wenn wir nicht die Kraft haben, das System sofort umzustülpen. Wir sollten uns von dem Zwang zum immer mehr und immer größer befreien und ein gutes, sogar besseres Leben entwerfen, mit einer gerechteren Verteilung von Einkommen und Arbeit, aber auch konkret vor Ort, etwa mit regionalen Lebensmitteln.

 Was die Energiewende betrifft, macht die Bundesregierung derzeit alles falsch: Sie bremst Hand in Hand mit den Kohlekonzernen die Energiewende aus und setzt bei den Erneuerbaren strukturell auf Marktkonzentration statt Diversifizierung. DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass die Bereiche der Daseinsvorsorge wie der Energiesektor in öffentliche oder genossenschaftlich organisierte Hände überführt wird, inklusive demokratischer Kontrolle in Form von Mitspracherechten. Arme Haushalte müssen entlastet und VielverbraucherInnen Anreize zum Stromsparen gegeben werden. Zukunftsträchtige Mobilität muss auf Verkehrsvermeidung setzen, den öffentlichen Verkehr stärken, fossilen Verbrennungsmotoren eine Absage erteilen und eine Steuer auf Flugbenzin erheben.

3. Was sind die „harten Brocken" für die linke Politik, denen sie sich stellen muss?

In der LINKEN wird noch zu wenig der enge Zusammenhang von Ökologie und sozialer Gerechtigkeit durchdrungen. Es sind zwei Seiten einer Medaille. Das ist das eine. Das andere ist, die längerfristigen Zusammenhänge und die Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen und nicht nur auf Wahlen und Wählbarkeit zu blicken. Ich gebe ein Beispiel: Wir müssen den Menschen in den Braunkohle- und Automobilregionen begreiflich machen, dass sich Vieles ändern muss und zwar bald und rasch. Das sind unangenehme Wahrheiten, die auch wir LINKE nicht immer gerne aussprechen. Aber ich bin überzeugt, je früher und je ehrlicher man hier den Dialog mit den Menschen sucht, umso sozial verträglicher kann der ohnehin anstehende Strukturwandel gestaltet werden. Wer allerdings die Menschen belügt, indem er so tut, als würde alles so bleiben, der macht sich schuldig, wenn es für die Beschäftigten keine Perspektiven mehr gibt. Je früher wir den Strukturwandel angehen, umso besser gelingt der Übergang in eine Welt ohne fossile Verbrennungsmotoren und ohne Kohleverstromung. Und diese Welt wird kommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

 4. Erwerb/Muße/Sorgearbeit:

Welchen Mix brauchen wir, um die Gesellschaft nachhaltig umzugestalten?

Für mich muss die Diskussion um eine Arbeitszeitverkürzung wieder in Gang kommen, denn um ökologischer zu leben, brauchen wir auch mehr Zeit, so für Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Stichwort Entschleunigung muss in Zukunft auch bei uns Linken eine Rolle spielen genauso wie der Begriff Life-Work-Balance, was so viel heißt wie eine Ausgewogenheit von Erwerbsarbeit und Freizeit. Klar ist, dass wir viel mehr Arbeitsplätze im öffentlichen Bereich wie Bildung, Pflege, Krankenhaus und Betreuung brauchen und diese finanziert werden müssen. Allerdings irgendwoher muss das Geld kommen und das heißt: Wir brauchen nach wie vor neben Dienstleistungen auch Wertschöpfung in der Produktion von Gütern. Diese müssen nachhaltig produziert werden und der Gedanke der Kreislaufwirtschaft ohne neue Rohstoffe muss Fuß fassen. Auch Zeit für Sorge, also Kinderbetreuung aber auch häusliche Pflege müssen mehr in den Blickpunkt einer zukünftigen Politik rücken. Eine andere Gesellschaft braucht eine Umverteilung des Reichtums und eine andere Bewertung von Arbeit. Dazu gehört eine gute Entlohnung auch und gerade in der Dienstleistung und eine Grundsicherung um den Niedriglohnsektor endlich auszutrocknen.

 5. Was machen Sie schon oder haben sich vorgenommen, um Ihren eigenen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern?

 Ich besitze ein Auto (mit wenig CO2-Ausstoß), denn sonst könnte ich viele Termine in Bayern nicht wahrnehmen, genauso wie ich es nicht schaffe, die viele Pendelei nach Berlin ausschließlich mit dem Zug zu machen. Aber ich esse keine Tiere mehr, mache keine Fernurlaube und versuche fast nur ökologisch und fair produzierte Kleidung und regionale Lebensmittel zu kaufen. Auf meinem Hausdach ist eine Solaranlage und ich werfe keine Lebensmittel weg. Künftig möchte ich noch mehr Wege mit dem Fahrrad machen, das ist schließlich auch gesund.