Tarifflucht in Bayern: Weniger als die Hälfte der Beschäftigten arbeitet tarifgebunden

Susanne Ferschl, Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstands

Nur noch 45% der Beschäftigten in Bayern fallen unter den Schutz eines Flächentarifvertrages. Nach einem Haustarifvertrag werden lediglich magere 4% der bayerischen Beschäftigten bezahlt. In Zeiten einer durch unsichere Arbeitsverhältnisse und Kurzarbeit gekennzeichneten Pandemie eine mehr als besorgniserregende Entwicklung. Während die Tarifbindung immer weiter abnimmt beschwichtigt die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. mit der Aussage, immerhin würden weitere 29% der Beschäftigten in Anlehnung an Tarifverträge bezahlt und macht überdies die Gewerkschaften für die sinkende Tarifbindung verantwortlich. Für Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, ist das eine nicht hinnehmbare Behauptung:

„Es ist eine Unverschämtheit ausgerechnet die Gewerkschaften für die sinkende Tarifbindung verantwortlich zu machen. In den letzten Jahrzehnten haben die Arbeitgeberverbände kaum eine Gelegenheit ausgelassen, um Tarifflucht zu fördern und sich um würdige Beschäftigungsverhältnisse herumzudrücken. Das ist nicht nur ein Desaster für die Beschäftigten, sondern auch für den Sozialstaat und die Wirtschaft insgesamt: Je weniger Beschäftigte nach Tarif bezahlt werden, desto größer sind die Einbußen der Sozialversicherungen, der öffentlichen Hand und letztlich auch der Kaufkraft. Dies sollte eigentlich auch für die vbw wichtig sein, deren Unternehmen davon abhängig sind, dass die Beschäftigten genug Geld in der Tasche haben, um die Produkte der in ihr zusammengeschlossenen Unternehmen zu kaufen.

Wenn Bertram Brossardt als Hauptgeschäftsführer der vbw von „indirekt tarifvertraglich geregelten Arbeitsbedingungen“ spricht ist dies einfach schlicht Nonsens. Die damit bezeichneten Unternehmen haben keine Tarifbindung und die Beschäftigten besitzen kaum Schutz vor einer Verschlechterung ihrer Arbeitsverhältnisse. Brossardt versucht lediglich einer weiteren Aufweichung tarifvertraglich gesicherter Standards Vorschub zu leisten. Stattdessen brauchen wir das Gegenteil: Mehr Betriebsräte, weniger Tarifflucht und flächendeckende Tarifverträge für alle Beschäftigten. Nur dies schützt wirksam gegen die Willkür der Arbeitgeber. Auch die bayerische Staatsregierung muss hier endlich Maßstäbe setzen: Die Vergabe öffentlicher Aufträge muss an die Tarifbindung geknüpft und die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen erleichtert werden.“